29. März 2018

kein wunder




nach über vierzig jahren fragten sie ihn noch einmal: glauben sie an wunder?
wieder dieser starrsinn, dieser enge und einsame blick auf die wahrheit als antwort.

gegenüber wirkte einer, verwirkte diese wahrheit. obwohl sie an ihn glaubten, wie ertrinkende - schon lange ans ufer gespült.
er wurde heiler genannt, am wochenende spuckten die busse seine jünger zu dutzenden aus. nein, kein spuk. der uriniert nicht
in die vorgärten, kotet nicht in die beete. wir nachbarskinder durften entsorgen was übrig blieb vom traum, was ihm voraus ging.

lange danach war einer auf der suche nach seinem vater: lächelte mindestens einmal zuviel als von ihm berichtet wurde.
vielleicht weil er ihn nie kannte, vielleicht weil dieses lächeln den blick ersparte: den genauen, den klaren.

mit dreizehn hat man diesen blick noch, ich war dreizehn damals.
sah ihn davon rennen den heiler durch den garten meiner großmutter.
sah die todkranken kinder vorher, die alten und die jungen.

mein vater lief nicht davon, mußte nie nach ihm suchen.
darum mein lächeln über wunder, mein zorn darüber.


Mensch Leute
Mein Vater, der Wunderheiler
Sendung des SWR vom 26.03.2018


© schneewanderer



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